Wir wollen den Leser nicht gänzlich mit der "allein gültigen" Erkenntnis abspeisen, dass Kunst eben nur Kunst ist und sonst gar nichts.

Einige wenige Erkenntnisse über Kunst, die wir durchaus für bedenkenswert und diskussionswürdig halten und die direkt mit dem Gegenstand unserer Betrachtung in Verbindung stehen- aber denen wir nicht in jedem Fall völlig zustimmen- wollen wir dem Leser nicht vorenthalten. Dabei werden wir ihn aber nur "anfüttern"- für den Fall. dass er Gefallen am Thema gefunden haben sollte, verweisen wir ihn auf die angegebene Literatur.

Um den Leser nicht auf die Folter zuspannen, was denn der Nutzen dieses Abschnitts für Ihn sein wird, teilen wir Ihm gleich das Wichtigste mit, herausgefunden von einem wahren Kunstpapst- Andy Warhol :

"Kommerzelle Kunst ist der Schritt, der nach Kunst kommt. Ich begann als ein kommerzieller Künstler, und ich möchte als kommerzieller Künstler aufhören... Gut im Geschäft zu sein ist die faszinierendste Art der Kunst... und gutes Geschäft ist die beste Kunst."
(entnommen aus: Ruhrberg, Schneckenburger, Fricke, Honnef: Kunst des 20.Jahrhundert , Band 1, Seite 323, Taschen Verlag, 2010, ISBN 978-3-8228-4086-3)

Gemessen an dieser Aussage kommt jetzt im Anschluss nicht mehr allzu viel.


Hinweis: Die zitierten Werke werden in der Folge nicht um ihrer selbst willen, sondern als Erörterungsgrundlage, Argumentationsunterstützung und sachbezogene Ergänzung aufgeführt, somit besteht eine innere Verbindung zwischen dem zitierten und dem zitierenden Werk. Der Schwergewicht dieser Webseite liegt auf der eigenen geistigen Auseinandersetzung mit dem hier behandelten Thema- die Zitatsammlung ist also hier als unterstützendes, sachbezogenes Hilfsmittel für die eigene Argumentation anzusehen.


Hanno Rauterberg:Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung
S.Fischer Verlag
2007
ISBN 978.3-10-062810-7

Seite 197

"Die Kunst ist frei, und der Betrachter ist es ebenso. Er darf Ich sagen und dieses Ich gegen alle Künstler, Händler, Kritiker behaupten. Er muss sich nicht von anderen erzählen lassen, was er sehen soll. "


Thomas Junker, Sabine Paul
Der Darwin-Code
Die Evolution erklärt unser Leben
C.H.Beck
2009

ISBN 978 3 406 58489 3

159: Die Gemeinsamkeit der Ziele, ohne die eine menschliche Gemeinschaft nicht existieren könnte, ist sowohl unentbehrlich als auch zerbrechlich: “Es kann keine Gesellschaft geben, die nicht das Bedürfnis verspürt, in regelmäßigen Abständen die gemeinsamen Gefühle und die gemeinsamen Ideen, die ihre Einheit und ihre Persönlichkeit ausmachen, zu pflegen und zu bestätigen (Durkheim 1912). Hier nun kommt die Kunst ins Spiel: Sie Koordiniert und sychronisiert die Gefühle und Wünsche der Individuen, indem die ihnen besonderen Wert verleiht und sie zelebriert. Die schöne, verschwenderische und aufwändige Art der Präsentation ist notwendig, um die Echtheit des Signals zu demonstrieren.

162: In dem Maße, in dem die Menschen begannen, sich mit den aufwändig gestalteten Produkten oder Verhaltensweisen anderer Individuen zu identifizieren (d.h. sie als Teil ihres erweiterten Ichs zu akzeptieren) entstand die Kunst, so wie wir sie heute kennen: als aufwändig gestaltete , kollektive Phantasien.

Kunst ist eine evolutionär neue Technik, die es den modernen Menschen ermöglicht, sich in unmittelbarer, intensiver und gemeinschaftlicher Weise über ihre (unbewussten) Gefühle und Ziele zu verständigen und diese zu koordinieren.

163: Mit der Kunst erreichen und feiern die Menschen nichts anderes als die (partielle) Lösung eines der größten Probleme, von denen jede Gemeinschaft aus Individuen mit unterschiedlichen Interessen steht: die Koordination und Synchronisation ihrer divergierenden Ziele als Voraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation.

178: Kunst und Religion lassen sich als unterschiedliche Strategien verstehen, mit deren Hilfe- abhängig von den jeweiligen Umweltbedingungen- ein übereinstimmendes Ziel verfolgt wird: Gemeinschaftsbildung.


Jörg Immendorf; Interview in BILD, 7.6.2002,

Kommentar zur Dokumenta 11, Seite 6

Bild: Wann ist ein Werk wirklich Kunst – und wann bloß Müll?

Immendorf: Ein Ding ist Kunst, sobald es eine Magie entwickelt, die nicht sofort zu entschlüsseln ist. Ob es auch Kunst genannt wird, ist dabei gar nicht so wichtig. Vieles heißt Kunst, was den Namen nicht verdient, aber vieles, was man gar nicht so nennt, ist in Wirklichkeit Kunst.

Kann man Kunstverstand lernen ?

Man kann ihn schulen. Man braucht Neugier, muss sich öffnen, Vorurteile fallen lassen. Dann wird man sofort feststellen, welches Werk zu einem spricht. Zu welchem man Zuneigung entwickelt, zu welchem Widerstand. Dabei kann man sich selbst entdecken- wer man ist, wohin man will!


 

Arthur C.Danto
Was ist Kunst
becksche Reihe
ISBN 3 406 45999 4

Seite 100

... hierin besteht nämlich der Unterschied zwischen einem Kunstwerk und einem gewöhnlichen Ding. Wie Wörter und Sätze ist Kunst immer über etwas, während gewöhnliche Dinge niemals über etwas sind. Ihnen fehlt der Bezug, das Über-etwas- sein (aboutness).

103
Ob ein Gegenstand ein Kunstwerk ist oder nicht, hängt also nichtvon seiner materiellen Beschaffenheit, sondern von seiner Aussagefähigkeit. ...


Stefan Heidenreich
Was verspricht die Kunst?
Berliner Taschenbuch Verlag
2009
ISBN978-3-8333-0582-5

Seite 156
Am Objekt entscheidet sich schon längst nicht mehr dessen Qualität als Kunstwerk. Zu viele Dinge haben auf verworrenen Wegen ihre Anerkennung erreicht. In den fortschrittlicheren Kreisen hat sich längst die Erkenntnis festgesetzt, dass alles, was sich innerhalb bestimmter formaler Grenzen bewegt, Kunst sein kann, unabhängig davon, wie es aussieht.


Jörg Heiser
Plötzlich diese Übersicht
Was gute zeitgenössische Kunst ausmacht
Claasen Verlag
3. Auflage, 2007
ISBN 978-3-546-00402-2

Seite 347

Die interessante Kunst der Gegenwart lässt jene dumm aussehen, die der Versuchung nicht widerstehen können (und in diese Falle tappt jeder immer mal wieder), sie normativ festzuschreiben.

(Denn) die Kunst ist immer auch eine Auseinandersetzung mit all diesen normativen Festschreibungen , die sich in ihrer Entwicklung angehäuft haben.


Christian Saehrendt, Steen T. Kittl:
Das kann ich auch, GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR MODERNE KUNST
Du Mont Literatur und Kunst Verlag Koln, 3. Auflage 2007
ISBN 978-3-8321-7759-1

Seite 243

Was passiert, wenn alles Kunst ist ? Für unsere ästhetischen Bedürfnisse brauchen wir keine Künstler mehr. Um gläubig zu sein, bedarf es schließlich auch nicht zwangsläufig der Kirche. Der Alltag bietet uns viele visuelle Erlebnisse: Das Rangieren der Güterwaggons auf den Gleisanlagen eines Großbahnhofs, die Menschenströme im Einkaufscenter, die sedierte Menge sich sonnender Urlauber am Strand- alles kann Auslöser einer ästhetischen Erfahrung sein. Und manche Zufallsbeobachtung wirkt intensiver als großartig konzipierte Kunstwerke. Die Antwort mancher Künstler auf ihre Überflüssigkeit liegt in der Inszenierung der Unordnung- ein wilder, chaosverliebter Verzicht auf jegliche Ästhetik.


Lüddemann, Stefan:
Kunstkritik als Kommunikation. Vom Richteramt zur Evaluationsagentur.
Deutscher Universitäts -Verlag, Wiesbaden 1994,
ISBN 3-8244-4565-4

64
Indem sich der Rezipient auf die Gestalt der Kunst konzentriert, wird er auch seiner selbst vollständig inne und kann sich über "Bedürfnisrevolutionen" mit neuen Ansprüchen an seine Umwelt richten. Mit anderen Worten: Der Rezipient entwirft eine neue Interpretation der eigenen Situation , konstituiert sich eine neue Weltsicht. Mit der Antwort des Rezipienten auf die Sinnangebote der Kunst hat sich Kommunikation konstituiert. Daraus folgt konsequent, dass es absolute Merkmale für Kunst nicht mehr geben kann. Wann wird ein Objekt als Kunst angesehen ? "Wenn es für einige oder für viele als solches zählt" , lautet die lapidare Antwort, die den Kern trifft.

Ausweis des Kunstwerkes ist die Möglichkeit, an ihm ästhetische Erfahrung zu machen. So bietet sich heute Kunst als ausdifferenziertes System dar, das im gesellschaftlichen Verbund der Systeme die besondere Leistung bereithält, die "Erzeugung unwahrscheinlicher Aufnahmebereitschaften" zu übernehmen. Kunst ist das Medium komplexer Erfahrung wie hoher Reflexionsgeschwindigkeit, Kunst ist das Laboratorium für neue Entwürfe von Weltsichten. Weil die Rücksichten des praktischen Lebens nicht zählen, können in der Kunst ungewöhnliche Wege zur Konstituierung von Wirklichkeit erprobt werden. Kunst bürgt nicht für letzte Sinnerfüllungen oder verbindliche Perspektiven der Utopie. Sie ist auch nicht mehr Unterpfand geschichtspolitischer Wahrheiten. Die falschen, weil totalen, wenn nicht sogar totalitären Ansprüche sind verabschiedet. Übrig bleibt die Kunst als präzise Artikulation, als sinnlich verfasstes, deshalb konkretes Medium der Reflexion. Die so verstandene Kunst ist frei von Möglichkeiten konkreter Intervention, frei aber auch zu jedem die Konvention überschreitenden Experiment.


Was gibt es nicht alles für "Künste" ?

Zitat (auszugsweise) aus Wikipedia (Februar 2010)

Unter Kunst des Mordes (engl. Art of Murder) versteht man die Ansicht, dass Morden eine Kunstform darstellen kann. Gedankliche Voraussetzung ist, dass Kunst als amoralisch angesehen wird und nur der Ästhetik verpflichtet ist.

Eine frühe Darstellung des Mordes als Kunst gibt der durch die Darstellung seiner Opium-Sucht (Tagebuch eines Opiumessers) bekannt gewordene englische Autor Thomas de Quincey in seinem Essay On Murder Considered as One of the Fine Arts (1827). Er schreibt zynisch und ironisch:

Quinceys Thema ist nicht die Beobachtung, Verfolgung und Bestrafung von Mördern, sondern die Betrachtung des Mordes nach ästhetischen Kriterien, wie ein Werk der schönen Künste: Nachdem der Moral genüge getan worden sei, könne der Connaisseur innehalten, um den Grad an Brutalität oder Finesse in der Ausführung des Verbrechens zu bewerten, so wie bei jeder anderen menschlichen Äußerung.


Michael Keller
Was ist Kunst ?
Positionen der Ästhetik von Platon bis Danto
Verlag C.H.Beck
2005
ISBN 3 406 45999 4

Seite 81
"Alle Kunst ist Utopie; sie verweist auf die Vorläufigkeit einer empirischen Realität, in der kein Glück von Dauer ist. So wird sie zum Statthalter unbeschädigten Lebens.

Allerdings darf die Kunst solches Leben nicht positiv zeigen, denn sobald sie dies tut oder auch nur versucht, trägt sie dazu bei, dass schon für wirklich genommen wird, was doch gerade als Nichtsseiendes, als noch zu Verwirklichendes, aufgewiesen werden sollte. Anstatt die Empörung gegen das Bestehende zu bewahren, gegen die "Armseligkeit eines Lebens, das immer zu wenig ist", tröstet sie über dessen Mängel hinweg. "


Lüddemann, Stefan:
Kunstkritik als Kommunikation. Vom Richteramt zur Evaluationsagentur.
Deutscher Universitäts -Verlag, Wiesbaden 1994,
ISBN 3-8244-4565-4

Seite 59
"Kunst und Ästhetik gestalten längst nicht mehr. Sie sind nur noch Rückzugsräume für Individualität, schwache Grenzwälle gegen den Ausgriff vereinnahmender Vernunft. "

Seite 60
"Kunstwerke können nicht mehr aufgrund ihres Erscheinens als solche bekannt werden. Ihre Qualität als Kunstwerk wird ihnen von einer Diskursgemeinschaft zuerkannt. Luhmann befindet sich in diesem zentralen Punkt im Einklang mit anderen Theoretikern. "Der Kontext hat die Führung übernommen, das Werk ist nur von seinen Gnaden Kunst" "

Seite 60
"Am Beispiel des Brillo-Kartons von Andy Warhol hat Danto darzulegen versucht, dass Kunst nicht mehr aufgrund ihrer visuellen Eigenschaften unterschieden werden können. "Erst als klar wurde, das alles Kunst sein konnte, war philosophisches Denken über Kunst möglich. In der Epoche der größten Freiheit der Kunst hat sie sich der verbalisierten Reflexion unterzuordnen. Für Danto bestimmt nun die Philosophie, was Kunst ist. "

Seite 61
"Jenseits aller Wesensdefinitionen und Sinnerläuterungen erscheint Kunst deshalb als Medium der von Praxiszwängen freigestellten Reflexion. Diese Freistellung wie auch die gleichsam experimentelle Kombinatorik der Anschlussoperationen machen aus dem System Kunst ein Laboratorium zur Erzeugung von Sichtweisen auf die Welt. "


Was die besondere Bedeutung der "Philosophie" in der Kunst anbelangt, könnten wir uns eigentlich in unserer Auffassung nur bestätigt fühlen- wie der Leser unschwer nachvollziehen wird- da die von uns mit der darstellenden Kunst verknüpfte Philosophie der Lebenskunst per se eine Philosophie ist:

Es eröffnet sich allerdings dabei eine gewisse Schwierigkeit, eine "Gefahr": Was gilt als "Philosophie" im oben verwendeten Sinne? Wo sind die Grenzen gegenüber banalen, trivialen und absurden Aussagen? Der Begriff "Philosophie" gerät unseres Erachtens hier unter Umständen in Gefahr trivialisiert zu werden.

Zur Erinnerung, was der Gegenstand der Philosophie ist, zitieren wir eine elementare Version aus dem öffentlichen Lexikon "WIKIPEDIA" im Internet (Stand 2012):

In der Philosophie (..., lateinisch philosóphia, wörtlich „Liebe zur Weisheit“) wird versucht, die Welt und die menschliche Existenz zu deuten und zu verstehen.

Von anderen Wissenschaften unterscheidet sie sich dadurch, dass sie sich nicht auf ein spezielles Gebiet oder eine bestimmte Methodologie begrenzt, sondern durch die Art ihrer Fragestellungen und ihre besondere Herangehensweise an ihre vielfältigen Gegenstandsbereiche charakterisiert ist.
...
Kerngebiete der Philosophie sind die Logik (als die Wissenschaft des folgerichtigen Denkens), die Ethik (als die Wissenschaft des rechten Handelns) und die Metaphysik (als die Wissenschaft der ersten Gründe des Seins und der Wirklichkeit). Weitere Grunddisziplinen sind die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, die sich mit den Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns im Allgemeinen bzw. speziell mit den Erkenntnisweisen der unterschiedlichen Einzelwissenschaften beschäftigen.

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