ELZBIETA TOPOLNICKA-NIEMCEWICZ

ASTRONOMISCHE UND KOPERNIKANISCHE THEMATIK IM KÜNSTLERISCHEN SCHAFFEN VON
EWA OLSZEWSKA-BORYS

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Wenn wir die Medaillen betrachten, deren Autorin Ewa Olszewska-Borys ist, können wir mit Leichtigkeit einige Themen unterscheiden, die aus verschiedenen Quellen stammen. Nämlich aus denen der eigenen Vorliebe der Künstlerin für sie, oder denen, die den Wünschen der Auftraggeber entsprechen. Zu ihnen gehört eine Gruppe von Medaillen, die thematisch mit der Astronomie und Kopernikus verbunden sind. Sie gestatten es, die Unterschiedlichkeit der angewandten Techniken und die charakteristischen Eigenschaften dieses künstlerischen Schaffens eingehend zu besprechen.
Auf die Entwicklung einer künstlerischen Individualität haben jene Ideen einen wesentlichen Einfluß, welche die Professoren ihren Studenten meistens dann einprägen, wenn diese ihre ersten Schritte in Richtung ihrer künstlerischen Tätigkeit gehen. Bei der o.g. Künstlerin war es der Einfluss der Poesie der Medaillierkunst von Frau Prof. Zofia Demkowska (Akademia Sztuk Pieknych in Warschau) und die werkstättische Präzision von Herrn Prof. Raymond Corbin (Ecole des Beaux Arts, Paris).

Erinnert werden muß auch daran, dass es in keinem Kunstbereich eine derart absolute Ingerenz von selten des Auftraggebers in das Schaffen des Künstlers gibt, wie eben in der Medaillenprägung- hinzukommt, dass alles im Rahmen des Mäzenatentums realisiert werden muß.
Die ältesten und originellsten Medaillen in der besprochenen Gruppe sind zwei Keramikmedaillen, die gleichzeitig vollwertige bildhauerische Miniaturen sind, die später in Bronze abgegossen wurden.

Diese keramischen Unikate stellen zwei Helden dar - den mythologischen Ikarus und den Astronom, der mit seiner Gestalt an die Erhabenheit mittelalterlicher Tympanons erinnert. Die Gestalten dieser Arbeiten gestatten es, sie als Werke zu bewerten, die an den Grenzen der Medaillierkunst liegen. Es sind schöne, starke Formen die freiweg modelliert wurden, geradezu aus den Handflächen heraus, bereichert durch zusätzliche Werte, nämlich durch Farben. Sie besitzen auch den rohen, urförmigen Reiz und rufen den Wunsch hervor, die Finger in die weichen Vertiefungen zu legen, das plastische Material zu befühlen. Die Form in bedeutendem Maße aufgezwungen durch den Rohstoff selbst, also dem Ton (Formlehm), hinderte nicht daran, die sich gegenüberstellenden Eindrücke zu erzielen: Dynamik - Statik

Das Drama des ersten Menschen im Weltall und die Geschichte seines Fluges zur Sonne, kennen alle aus der Mythologie, aber allein diese Themen sind es, aus der antiken Kunst Inspirationen zu schöpfen. Die Gestaltung des Körpers und Aufsetzung des Kopfes des Ikarus bestätigen die Kenntnis der ältesten griechischen Kunst, als auch die eigenen Nachforschungen des Künstlers (Abb. 1).

Der Astronom ist erfüllt von der Ruhe der Komposition, die man in ein rechtwinkliges Rechteck eintragen kann. Die Öffnung, die schräg durch die Figur verläuft zerstört die Harmonie nicht, ganz im Gegenteil, sie ist das Element das beide Seiten dieser "Medaille" zusammenlötet. Obzwar "durchsichtige" Skulpturen schon zu Beginn unseres Jahrhunderts bekannt waren, erfüllt diese Öffnung eine ganz andere, quasi bahnbrechende Rolle.
Wenn wir aus der Perspektive der vergangenen Jahre auf die künstlerische Tätigkeit von Ewa Olszewska-Borys blicken, sehen wir, dass sich ihr wirkliches Interesse auf den Porträtmedaillen konzentrierte, auf geprägte und gegossene, die zum Andenken von Persönlichkeiten herausgegeben wurden, die wir selbst oder aus der Geschichte kennen, deren Bildnisse auf Graphiken oder Bildern dargestellt sind.

Man könnte geradezu sagen, daß Ewa Olszewska-Borys heute die hervorragendste polnische Porträtistin ist. Und das betrifft ebenfalls Medaillen zur astronomischen Thematik. Minimale künstlerische Verformungen zulassend, verleiht sie Ähnlichkeit vertieft durch intime Gesichtszüge der Gestalt. Deutlich ist das auf der Medaille mit dem Bildnis des hervorragenden Astronomen Wlodzimierz Zonn zu sehen. Es ist ein unkonventionelles Porträt mit der für den Professor so charakteristischen Handbewegung, eingesetzt in der Sphäre des Weltalls (Abb. 2, 2a).
In diesem als auch in den repräsentativen Porträts von Nikolaus Kopernikus ist die Silhouette plastisch mit dem Hintergrund verbunden. Bei den Medaillen von denen hier die Rede ist, handelt es sich meistens um eine symbolische Darstellung des Weltalls oder um die spezifische Atmosphäre die im Arbeitszimmer eines Gelehrten herrscht.
Die einzige Medaille welche zur Erinnerung an den Weltraumflug von Hermaszewski geprägt wurde unterscheidet sich, infolge der von der Münzanstalt aufgezwungenen Regeln von den anderen dadurch, daß sie einen flachen Hintergrund hat. Der Kopf mit dem kosmonautischen Helm ist so situiert, daß die Medaille an übliche graphische Arbeiten erinnert und ihre bildhauerischen Werte verringert.
Am zahlreichsten sind die Medaillen mit dem Bildnis von Nikolaus Kopernikus, der 1475 in Torun (Thorn) zur Welt kam und 1545 in Frombork (Frauenburg) starb. Kopernikus verbrachte fast sein ganzes Leben im Ermland, ausgenommen seine Studienzeit in Krakau und in Italien. Außer dem Bildnis des Gelehrten haben die Medaillen reich verzierte Rückseiten auf denen architektonische Objekte dieser Orte zu sehen sind, wo Kopernikus geweilt hatte. Eine Ausnahme bildet eine große einseitige Plakette in Bronze gegossen. Diese Arbeit hat beim Bildhauer-Wettbewerb 1975 den I. Preis bekommen.
Die Künstlerin nutzte die graphische Darstellung (Gemälde) von Kopernikus, die Jeremias Falck aus Gdansk (Danzig) im Jahre 1645 fertigte, wobei sie ebenfalls die rohe Modellierung beibehält. Die meisterhafte Einpassung des Kopfes in die symbolische Interpretation des heliozentrischen Schemas, entstand durch die Wahl des Hintergrundes und Effekte der sanften Übergangsform vom Gewölbten zum Flachen. Wenn wir diese Medaille den Porträts gegenüberstellen die später entstanden sind, überrascht uns die feierliche Stimmung des monumental behandelten Kopfes sowie die ausgezeichnete Harmonie der Komposition (Abb. 3).
Bei der Ausführung weiterer Porträts von Nikolaus Kopernikus nutzte die Bildhauerin auch ikonographische Muster die bereits seit langem bekannt sind. Die Medaillen sind in nachstehender Reihenfolge entstanden:
- Frombork 1983 - 510. Geburtstag von Nikolaus Kopernikus - gegossene Medaille, bestellt vom Stadtrat Frombork (Abb. 4, 4a). Die Büste von Kopernikus mit Maiglöckchen in der Hand, wurde nach dem aus dem XVI. Jh. stammenden Gemälde von Tobias Stimmer modelliert. Das Gemälde befindet sich auf der astronomischen Uhr, genauer gesagt auf dem Waagetürmchen der Kathedrale in Straßbourg.
- Museum Mikolaja Kopernika in Frombork - 1986 - geprägte Medaille (Abb. 5, 5 a). Die Gestalt entstand nicht genau nach den populär bekannten Mustern (Bildnissen). Es ist eine Verbindung verschiedener Merkmale die auf Porträts zu sehen sind, umgestaltet nach dem Belieben der Künstlerin sehen wir im Resultat eine groß angelegte, dynamische Silhouette die einen delikat modellierten Kopf des Astronomens trägt.
- Museum Warmii i Mazur in Olsztyn - 1985 - gegossene Medaille Nicolaus Copernicus Olsztyn 1516-1521 (Abb. 6, 6a): Kopernikus am Tisch stehend, auf dem Meßinstrumente liegen. Muster zur Medaille war das Gemälde von Marco Bassiti aus dem Jahre 1512, aus der Sammlung des Fürsten Andrzej Lubomirski in Lwow (Lemberg). Es ist möglich, daß auf diesem Bild nicht Kopernikus, jedoch ein anderer italienischer Gelehrte aus der Renaissancezeit dargestellt ist, trotzdem hat man es als das Porträt unseres berühmten Astronomen sehr oft reproduziert. Die Intuition der Künstlerin hat es verursacht, dassdas Gesicht des Dargestellten die Züge von Kopernikus trägt.
- Museum Mikolaja Kopernika in F rombor k - Eröffnung der Abteilung für Medizingescbichte im Hospital zum Hl. Geist, Frombork 1989 - zweiseitige Plakette, in Bronze gegossen (Abb. 7, 7a). Als Muster diente der Künstlerin ein Holzschnitt aus dem XVI. Jh., das sog. Reusser Porträt. Es wäre daran zu erinnern, daß Kopernikus nicht nur ein Astronom, sondern auch ein Arzt war. Er hält einige Pflanzen in der Hand, u.a. Maiglöckchen, also diese Blume, die ihn auf vielen Gemälden und Skulpturen begleitet.
Zur Gruppe der Medaillen mit Bildnissen berühmter Gelehrter können wir die geprägte Medaille hinzufügen, die Andenken an Vitelius (eigentlich Ciolek), dem Philosophen, Naturwissenschaftler und Mathematiker, Autor des Werkes Perspectiva und gleichfalls als "Optiker" bekannten, aus Schlesien stammenden Gelehrten gewidmet ist (Abb. 8, 8a). Vitelius lebte von 1225-1290. Dank der geschickten Komposition wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf wissenschaftliche Instrumente, nicht aber nur auf das Angesicht des Gelehrten aus weitzurückliegenden Jahrhunderten, gelenkt. Ausgezeichnet ist die Medaille mit dem Bildnis des neuzeitlichen polnischen Astronomen Jerzy Stodolkiewicz (1955-1988) (Abb. 9, 9a). Auf der Rückseite ist eine künstlerische Improvisation zum Thema des Weltalls mit der Aufschrift "Der Mensch ist so viel wert, wieviel er von sich selbst anderen gibt. Die polnische Astronomische Gesellschaft ihrem Präses 1989."

Besonders gut gelungen ist- vom künstlerischen Gesichtspunkt aus gesehen- die Medaille, die zum Andenken an den 500. Todestag eines der hervorragendsten Himmelsforscher der Barockzeit - Johann Hevelius aus Gdansk stammend - geprägt wurde (Abb. 10, 10a). Dieser scharfsinnige Beobachter gehörte ab 1664 zur Royal Society in London und war 1666 Mitbegründer der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Paris, die Ludwig XIV finanziell unterstützte und die sich gleichfalls einer besonderen Betreuung von seiten des polnischen Hofes erfreute. Hevelius gilt als der Schöpfer der neuzeitlichen Selenographie, er hinterließ viele Himmelslandkarten und Illustrationen von Instrumenten, denn er war obendrein auch noch ein Künstler.
Die Berührungsflächen mit dem Porträt geschickt nützend, die weichen Formen der wie scheinbar zitternden Gesichtszüge, das intime Klima im Arbeitszimmer und die einfachen tiefen Schnitte, mit denen die Autorin die Anwesenheit von Beobachtungsinstrumenten suggeriert, setzt die Gestalt sehr fest im Raum ein. Ewa Olszewska-Borys bedeint sich sehr gern dieser Art künstlerischer Aussagen, auf dem sehr sorgfältig und leicht geformten Hintergrund komponiert sie starke Formen, oftmals architektonische.
Die Erinnerungsmedaille mit Hevelius entstand auf dem selben Gebiet künstlerischen Suchens wie die vorherigen, wobei die Phantasie der Interpretation der Himmelssphären vereinfacht wurde. Die Künstlerin erzielte die Weltallräumlichkeit mit außerordentlich einfachen Mitteln. Die körnigweichen Gestalten und der sanfte Bogen der Sphäre geben den Eindruck einer unmeßbaren Tiefe. Die an die erste Stelle gerückte lateinische Aufschrift "IN SUMMIS CERNIT ACUTE" (nur einfache Großbuchstaben) vertieft den Eindruck doppelt - und zwar durch die Einsetzung eine ständigen Elements im beweglichen Weltall, sowie des Inhalts der an die äußergewöhnliche Blickschärfe von Hevelius anknüpft.
In ihren Aussagen hebt Ewa Olszewska-Borys immer hervor, dass sie der Bearbeitung des Hintergrundes große Bedeutung beimißt. "Die Medaillierkunst ist die Kunst der Raumillusion - sagt sie - denn das, was auf einer Medaille flach ist, scheint eine vollkommene Skulptur zu sein. Dieser illusorische Eindruck vergrößert sich, wenn der Hintergrund ebenfalls zu einer skulptierten Oberfläche wird. In einer Medaille kann man das Licht und den Raum skulptieren, einen Menschen in sie einsetzen und ihm ein für ihn entsprechendes Klima schaffen, das seine Persönlichkeit hervorhebt."
Das Schaffen von Ewa Olszewska-Borys ist allein aus dem Skulpturen, gesondert von Konventionen, geboren. Der Hintergrund, der auf den traditionellen Medaillen flach ist, wurde durch skulptierte Formen ersetzt. Die Erfahrungen gewonnen in ihrer früheren Schaffensperiode, als sie noch direkt in Formlehm modellierte, haben ihr die Leichtigkeit verliehen, sich Negativen zu bedienen. Die künstlerischen Verformungen auf den Medaillen, den gegossenen als auch geprägten, beruhen auf dem wechselnden Hervorbringen gewölbter Oberflächen als auch Negativen, die jedoch nicht den Eindruck von Basreliefs hervorrufen.
Durch die harmonische Weise, die Vorder- und Rückseite einer Medaille sowie die Berührungsflächen des Hintergrundes mit dem Porträt zu verbinden, machen ihr es möglich, ein vertieftes Bildnis bereichert durch eine emotionelle Beladung zu schaffen. Infolge der Beherrschung allseitiger werkstättischen Kenntnisse und Gewandtheit beim Modellieren zeichnen sich die Arbeiten von Ewa Olszewska-Borys besonders aus, unterscheiden sich von den Arbeiten der derzeit tätigen Medaillierkünstler und ihren vielen Nachahmern.

Übersetzung Edith Ruth Jurkiewicz

 

 

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Abb.1.


Abb.2


Abb. 2a


Abb.3


Abb. 4a


Abb. 4


Abb. 5a

Abb. 5

Abb. 6a

Abb.6

Abb.7a

Abb.7

Abb.8a

Abb.8


Abb. 9a


Abb. 9


Abb. 10 a

Abb.10