RELIEFS UND MEDAILLEN, DIE SICH AUF DAS THEMA "LEBENSKUNST" BEZIEHEN
VERSION 1.01 (AUGUST 2012), VERSION 1.0 (JULI 2012)

Als erstes Werk stellen wir hier eine Medaille vor, die auch chronolgisch unser erstes Werk ist. Wir haben sie kurz nach unserem 50.Geburtstag angefertigt, als uns zunehmend bewusst wurde, dass unsere Berufstätigkeit in absehbarer- nicht allzu ferner Zeit- ihr Ende erreichen würde. Auch der Rest unseres Lebens erschien uns nun ziemlich überschaubar zu sein- spätestens zu diesem Zeitpunkt war die realistische Halbzeit überschritten.

Die dargestellte Medaille kann den Betrachter zur Frage anregen, in welchem Maße er sich selbst durch seinen Beruf definiert und wie er sich in einer Zeit ohne Berufstätigkeit verhalten wird- oder bereits verhält. Eine mögliche Anwort bestand bereits im gezeigten Entwurf - in der Gestaltung von frei "erfundenen" Objekten, die mit seinem Leben selbst zusammenhängen.

wachsen oder verfallen

wachsen oder verfallen

 

Wachsen oder Verfallen (1995)


 

Wir werden nun einige wenige Medaillen/Reliefs etwas näher betrachten und bei wenigen Werken mögliche Einstiegspunkte für verschiedene Interpretationen geben. Es wird sich dabei nur um Beispiele für mögliche Einstiege in ganz subjektive Interpretationen handeln. Der Betrachter kann natürlich weitere und auch ganz andere Assoziationen für sich selbst erhalten und Interpretationen finden. Wir geben nur etwas widerwillig diese Beispiele, weil wir natürlich wissen, dass dadurch ein Teil des Reizes dieser Werke verloren geht. Andererseits haben wir erfahren müssen, dass es Betrachter dieser Werke gibt, die diesen absolut verständnislos gegenüberstehen, weil ihnen die Kunst des Interpretierens völlig fremd ist . Das ist nicht unverständlich, weil im heutigen Kunstbetrieb nach unserer Einschätzung sich viele Werke einer Interpretation durch den Betrachter verschließen oder ihn in ihrer Beliebigkeit "allein lassen" - aus verschiedenen Gründen. Ein "Kunstexperte" mag trotzdem durchaus auch bei solchen Werken natürlich eine schöne, tiefsinnige Betrachtungsweise und/oder eine bewunderungswürdige Theorie darauf aufbauen ....

Wir möchten dem Betrachter in der Darstellung eines Themas die Möglichkeit zu bieten, auf verschiedenen Ebenen unmittelbar Zusammenhänge zwischen sich selbst und dem Dargestellten zu knüpfen- denn gerade durch eine Verknüpfung von Komponenten innerhalb eines Ganzen entsteht Sinn für den Betrachter. Wie weit er diese Zusammenhänge knüpfen kann oder will bleibt ihm natürlich selbst überlassen. Gerade dieses persönliche Entdecken von Sinn erscheint uns bei immer stärkerer Verbreitung von individuellen und gesellschaftlichen Sinnkrisen von großer Bedeutung.

Jeder Betrachter sieht natürlich jedes Werk durch seine eigene, vorgefärbte Brille und interpretiert das durch sie Wahrgenommene entsprechend seinen persönlichen Eigenschaften. So bekommt letztlich jeder Betrachter das Werk, das er auf der Grundlage des speziellen Werks "verdient".


BILDTEIL


In der Mitte des Lebens : Sein oder Nichtsein ?

Gewidmet dem Zitat : "Im Leben die eigene Mitte zu finden und zu halten, ist nicht leicht."
( aus der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst : www.medaillenkunst.de im Abschnitt "Über uns ", Stand 2011, 2012)

Das Thema der hier näher betrachteten Plakette bezieht sich offenbar auf eine Frage, die sich Menschen häufig gerade in der "Mitte ihres Lebens" stellen. Wenn – in der Mitte des Lebens-die dringendsten „Existenzprobleme“ gelöst und eine gewisse Sicherheit im beruflichen und privaten Bereich erreicht sind, ist dies für nicht wenige Menschen die Frage : Wie „sollte“ ich mein Leben weiterführen, damit es schließlich am Ende, im Rückblick „gelungen“ ist? „Sollte“ ich im „eigentlichen Sinne“ ganz bewusst leben, selbstbestimmt, intensiv und mit wachen, offenen Sinnen, mit Interesse an der Welt allgemein, auch in Hinblick auf „negative“ Erfahrungen , also mehr im Sinne eines bewussten „Seins“ oder „unlebendig“, in einer festgelegten Rolle, einer erstarrten Position oder Geisteshaltung mein Leben im Sinne eines „Weiter so, wie bisher“ führen, etwa in der gesellschaftlich weithin festgelegten beruflichen Rolle, des Wettbewerbs, des Konsumierens, also eher des Habens (im Sinne des Psychotherapeuten Erich Fromm). Sein oder Nichtsein in der Mitte des Lebens sind in dieser Betrachtungsweise nicht notwendig unmittelbar mit dem Leben und Tod im physischen Sinne verbunden, sondern mit den Führen eines bewussten, selbstbestimmten Lebens oder mit einer fremdbestimmten, erstarrten,eher schablonenhaften und am „Haben“ orientierten Existenz.
Der Teil des Titels „In der Mitte des Lebens“ deutet im angegebenen Zusammenhang auf die bereits vor einigen Jahrzehnten in der Literatur thematisierte „Midlife- Crisis“ hin (Gail Sheehy: In der Mitte des Lebens, 1978).


Aus eigener Erfahrung kann ich eine solche Phase der Unsicherheit und Neuorientierung zwischen zwei Lebensabschnitten (Übergang von einer engen beruflichen Eingebundenheit zu einer Lebensphase größerer Freiheit) in der "Mitte des Lebens" durchaus bestätigen. Eine solche Krise ist allerdings für den Menschen nicht gerade im letzten Jahrhundert aufgetaucht, wie die ersten Verse von Dantes „Göttlicher Komödie“ zeigen:

Grad in der Mitte unserer Lebensreise
befand ich mich in einem dunklen Walde,
weil ich den rechten Weg verloren hatte.
Wie er gewesen, wäre schwer zu sagen,
der wilde Wald, der harte und gedrängte,
der in Gedanken noch die Angst erneuert,
fast gleichet seine Bitternis dem Tode.

Es dürfte eigentlich nicht allzu schwierig sein, die Darstellung auf der Plakette im Zusammenhang mit ihrem Titel zumindest in diesem grundsätzlichen Sinne zu erfassen.Das Auftreten einer solchen Unsicherheitsphase in der Mitte des Lebens ist natürlich nicht nur vom Individuum selbst, sondern auch von seinen persönlichen und gesellschaftlichen Lebensumständen abhängig. Es gibt sicherlich gesellschaftliche Situationen, in denen es die klassische „Midlife-Crisis“ oder Vergleichbares nur selten gibt, da hat man ganz andere Sorgen und Probleme und kann sich einen solchen relativen „Luxus“ gar nicht erlauben. In solchen Situationen wird folglich bereits der Begriff der "midlife-crisis" of Skepsis oder gar völliges Unverständnis stoßen . Wir geben deshalb die Verknüpfung der Darstellung auf dieser Plakette mit dem Begriff "midlife-crisis" nur als eine mögliche Interpretationsvariante an. Es bleibt in der Entscheidung des Betrachters diese Verknüpfung aufzunehmen oder zu verwerfen- er hat schließlich seine eigene Lebenserfahrung.

Da wir natürlich ein Motiv auf einer Plakette nicht als 2 ½ oder 3-– dimensionales Bilderrätsel ansehen , bei dem es eine bestimmte Deutung zu "erraten" gibt, sondern als eine Basis, als ein Angebot, geeignet für ein individuelle Interpretation durch den Betrachter, die recht unterschiedlich ausfallen kann- möchten wir hier als Beispiel noch weitere „Deutungsrichtungen oder Einstiege“ für individuelle Interpretationen angeben.

„Sein oder Nichtsein“ in der Mitte des Lebens kann natürlich auch direkt als Hinweis im Sinne eines „Media vita in morte sumus“ oder als ein „Memento mori“ aufgefasst werden. In einer Gesellschaft, die bekanntlich den Tod nur allzu gern verdrängt und aus dem persönlichen Blickfeld wegschiebt (den abendlichen Krimi oder die Nachrichten - insbesondere aus fernen Ländern- natürlich ausgenommen), kann es besonders in der erfolgsorientierten Mitte des Lebens sinnvoll sein, in der Zeit der größten Triumphe, sich der Endlichkeit des Lebens bewusst zu werden und möglicherweise den Kurs seines „Lebensschiffchens“ neu auszurichten oder zu korrigieren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Brauch bei Triumphzügen durch Rom, den siegreichen Feldherrn von einem Sklaven begleiten zu lassen, der ihm zuflüsterte: „Bedenke, dass du sterblich bist.“ Das sollte wohl den Feldherrn dazu bewegen, sich in seinem möglichen Übermut, in seinem Hochgefühl des Erfolgs, etwas zu bescheiden- was wohl nicht nur für einen Feldherrn sinnvoll ist.

Diesen Gedanken ergänzt ein Zitat aus der Zeitschrift PSYCHOLOGIE HEUTE, compact, 2009, Heft 22, Strategien der Lebenskunst, Seite 92 : Ursula Neuber: Vergiss das Beste nicht: Das Leben endet! :

" Der Gedanke sollte genügen, dass man sterblich ist, um das Leben zu lieben. Und man kann hizufügen: um festzustellen, was wichtig und was unwichtig ist. Denn wenn man den Tod nicht verdrängt und sich stattdessen immer bewusst ist, dass das Leben endlich ist, trennt sich die Spreu vom Weizen, wird das Wesentliche sichtbar. Angesichts des eigenen Todes - wann immer er eintritt- erkennt man
- was für das eigene Leben wichtig ist und was man als gleichgültig vernachlässigen kann;
- dass das meiste, über das man sich aufregt, am Ende lächerlich wirkt;
- dass alles Streben nach mehr Erfolg, mehr Anerkennung, mehr Geld schon zu Lebzeiten; aber ganz sicher am Ende nicht glücklich macht;
-worauf es wirklich ankommt: dass man geliebt wird, dass man seine Interessen leben kann und mit sich im Reinen ist;
- dass man Spuren hinterlassen will. "

Wir sind selbst allerdings nicht ganz sicher, ob in dieser Aufzählung nicht doch ein Widerspruch enthalten ist : Wenn das "Ausleben der Interessen" gerade Macht, Erfolg , Anerkennung, mehr Geld zu erwerben, bedeutet, kann es dann nicht doch ein subjektiv glückliches Leben werden, das der Betreffende führt ? Auch in der Rückschau ? Heißt es nicht auch: Macht ist die einzige Leidenschaft, derer man im Alter nicht überdrüssig wird ? Diese Frage mag der Leser für sich selbst beantworten- wir können es für ihn nicht.

Ein weiterer unmittelbarer Bezug zur Darstellung auf der Plakette ist in der gleichen Literaturstelle gegeben:
" Wer das Leben als endlich akzeptiert, lebt erfüllter. Wer dagegen den Tod verdrängt, ist schon zu Lebzeiten in gewisser Weise erstarrt. ... Wenn Menschen das eigene Ende nicht wahrhaben wollen, dann verengt sich ihr Leben. Werden sie an das eigene Ende erinnert, neigen sie zu einem geschlossenen Weltbild, halten starr an Werten fest, sind rigide, fremdenfeindlich, vorurteilsgeladen. "

Eine weitere mögliche Assoziation des Betrachters bei dieser Medaille könnte durch den direkten Vergleich der beiden Gesichtshälften hervorgerufen werden. Links das lebendige Gesicht mit offenen Sinnen (Auge, Ohr) und rechts ein erstarrtes, denkmalhaftes Gesicht. Im Zusammenhang mit dem Teil des Relieftitels „Sein oder Nichtsein“, könnte er dazu angeregt werden, darüber nachzudenken, wie er selbst zu der nicht seltenen gesellschaftlichen Vorstellung steht , dass man in seinen Werken weiterleben könnte, also in den Denkmälern, die die Gesellschaft ihm setzt oder die er sich selbst zu setzen versucht. Ich will den Gedanken hier nicht weiter verfolgen, er könnte zu recht pessimistischen Folgerungen führen- vielleicht aber auch zu der praktischen Schlussfolgerung, dass das Leben jetzt und heute das Wichtige ist, auf das es sich zu konzentrieren gilt– und das Gedenken , das spätere Denkmal, nur von sehr bedingtem Wert ist.

Zum Thema "Zeit und Ruhm" zitieren wir hier als kleine Auflockerung zum Text das gleichnamige Bild von Max Klinger:

"...im Titel des ... Blattes, "Zeit und Ruhm", kündigt sich an, dass alles Zeitliche der Menschen vergehen wird. Für die Zeit gibt es keinen Widerstand, sie schreitet unbarmherzig über alles hinweg, auch wenn sich der Ruhm als verführerisch schöne Frauengestalt in den Weg legt. ( Gerhard Winkler: Max Klinger, VEB E.A.Seemann Verlag Leipzig, 1984)


Wer sich in der Dichtung ein wenig auskennt, könnte sich möglicher Weise an Rainer Maria Rilkes Verse erinnern: “Der Tod ist groß, wir sind die Seinen, lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen, mitten in uns.“Die beiden Gesichtshälften, die lebendige und die erstarrte, sind durch eine dünne Trennlinie miteinander verbunden. Diese Trennlinie gilt es für sich selbst auszutarieren – also des eigenen Lebens Mitte zu definieren bzw. zu finden.

Der Zusammenhang zwischen der Mitte des Lebens und der dann bereits stärker empfundenen oder vielleicht auch nur unbewusst wahrgenommenen Nähe des Todes, wird übrigens, das sei hier noch ergänzend angemerkt in einem besonderen Bereich der Psychologie, der Thanatopsychologie untersucht (diese Kenntnis kann natürlich vom Betrachter der Plakette nicht erwartet werden, das wäre wahnwitzig). Ein Zweig, der international übrigens besonders Terrorismusexperten und Marketingforscher interessiert, da man dort Methoden zur gezielten Beeinflussung des Menschen untersucht – in seinen Radikalisierungsmöglichkeiten und in seinem Kaufverhalten (Jochen Metzger : „Mitten im Leben...“, Was alles in unseren Köpfen passiert, wenn wir ans Sterben denken; PSYCHOLOGIE HEUTE, Seite 40, Thanatopsychologie, August 2010).

Eine andere Interpretation der Plakette kann man durch einen Aufsatz von Heike von Stern ( in PSYCHOLOGIE HEUTE compact, 2009, Heft 22, Seite 36 ) erhalten :
"Ganz bei der Sache sein
Ein unachtsam gelebtes Leben ist ein ungelebtes Leben. Nur wer achtsam ist, kann flexibel und offen bleiben für alles, was geschieht.
...
Achtsamkeitsexpertin Langer fasst es so zusammen: ... Um Unachtsamkeit zu vermeiden, müssen wir uns klarmachen, dass die Wahrheit jeder Information von ihrem Kontext abhängt. Wenn wir also etwas wahrnehmen, sollte uns bewusst sein, dass es sich nie um eine absolute Tatsache handelt. Um achtsam zu bleiben, müssen wir einen gesunden Respekt vor Unsicherheit kultivieren. Um einer Sache achtsam zu begegnen, sollten wir aktiv und bewusst nach Unterschieden suchen. Das tun wir nicht, sobald wir glauben, ein Ding, einen Ort oder einen Menschen bereits in- und auswendig zu kennen. Die Erwartung von etwas Neuem dagegen erhält uns wachsam und achtsam."

Indirekt kann die Plakette somit auch als Anregung zur "Achtsamkeit" , eines achtsam gelebten Lebens also, aufgefasst werden.

Diese möglichen Assoziationen und Anknüpfungspunkte für einige Interpretationswege werden aufgeführt, um zu zeigen, wie vielschichtig das Thema der vorgelegten Plakette, wie vielfältig die möglichen Anknüpfungspunkte für ihre Interpretation (auch in Zusammenhang mit dem Titel, der als „Starthilfe“ gedacht ist) sein könnten.

Der Betrachter wird sicherlich noch weitere Interpretationen für sich entdecken können. Andere Zusammenhänge der etwas ausgefallenen Art könnte man sicherlich noch durch „googeln“ entdecken, auf das ich hier allerdings bewusst verzichtet habe. Sie sehen aus dem Vorstehenden, den „Sein oder Nichtsein-Hamlet“ habe ich hier gar nicht herangezogen, das mag etwa einem passionierten Theaterbesucher überlassen bleiben. Wem allerdings nur die mit dem „Hamlet“ verbundene Interpretation oder gar "Das Phantom der Oper" einfällt, kann dafür schwerlich der Plakette die Schuld geben.

Es bleibt auch hier hoffentlich ein für jeden Betrachter unterschiedliches Restgeheimnis übrig - da es der Kunst (zumindest gilt dies für die bildende Kunst, aber nicht nur für diese) sehr förderlich im allgemeinen ist, wenn sie ein Restgeheimnis, ein Unerklärliches behält ; wenn sie eben nicht völlig „aufgeht“. In dieser Hinsicht schließe ich mich der Auffassung von ausgewiesenen Kunstkritikern und Kunstwissenschaftlern gerne und nach eigenem Empfinden überzeugt an. Damit hat die Phantasie des Betrachters größeren Raum – was ich im Sinne seines möglichst andauernden Interesses für das Kunstwerk (sofern die Darstellung nicht beliebig ist) für sehr erstrebenswert halte. Zu anderen Zeiten kann er so jeweils Unterschiedliches für sich „entdecken“.

„Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle“ (Albert Einstein)- das ist zwar in dieser Allgemeinheit nicht gültig, wie der Leser weiter unten noch sehen wird, aber das Zitat trifft durchaus in begrenztem Ausmaße zu . Dieses nicht völlige „Aufgehen“ von Kunst kann übrigens auch als ein mögliches Qualitätsmerkmal von ihr angesehen werden – wie Sie sicherlich wissen. Der Rest des Geheimnisses ist natürlich auch vom Betrachter, in erster Linie von seiner Sensibilität, aber auch seinem soziokulturelllen „background“ selbst abhängig.

Kurzum: Wir halten ziemlich viel von der Theorie Herbert Laszlos, dass ein Kunstwerk eine „Aufgabe“ für den Betrachter bezüglich einer Deutung, einer Interpretation darstellen kann. Ist die Aufgabe gerade lösbar für den Betrachter, stellt sich beim Betrachter ein Wohlbefinden ein. Ist die Aufgabe zu leicht oder zu schwer für den Betrachter, hat der Künstler eben Pech gehabt und der Betrachter (oder ein Auswahlgremium für eine Medaillenausstellung ) ein Missvergnügen.

Die Intention, den Betrachter durch eine interpretationsgeeignete Basis in seiner Phantasie ( und Phantasie ist schließlich wertvoller als Wissen – wieder Albert Einstein) anzuregen, möglichst in Bezug auf seine eigene Lebenssituation, oder- wie andere es ausdrücken, den Betrachter allgemein dazu anzuregen, "des Lebensmitte zu finden und zu halten", ist allerdings offenbar sehr risikobehaftet - schließlich wurde diese Plakette, die nach unserer Auffassung besonders charakteristisch für unsere interpretationsoffen gestaltete Werke ist, für die FIDEM Ausstellung 2012 von der Fachjury zur Auswahl des deutschen Länderbeitrages abgelehnt. In der "submission form" zur FIDEM- Ausstellung, die der Auswahljury vorgelegen hat, haben wir unter "artistic approach/philosophy" angegeben: "The works are offering a basis for interpretation, giving the observer an opportunity to establish a relationship between them and his own life. Thus an individual sense of the works can be created by the observer himself."

Es gibt sicherlich nicht wenige Menschen, die es für fast für blasphemisch halten, im Zusammenhang mit Kunst über "Sinn" nachzusinnen. Wer allerdings von den möglichen - oben beschriebenen- "Wirkungen der Kunst" in seinen Überlegungen ausgeht, stößt sehr schnell auf die "Sinnfrage". Das Nachsinnen über Unsinn, Sinnlosigkeit, Sinnfreiheit, Widersinn oder einfach nur Irrelevanz hinsichtlich dieser möglichen Wirkungen liegt dann allerdings auch in unmittelbarer Nähe. Und das könnte zu - für manche durchaus nicht gerade angenehmen- Schlussfolgerungen führen, die allerdings durchaus, das sei zugegeben, zu einem nicht geringen Teil auch subjektiv sein können. Allerdings können durchaus auf den ersten Blick "sinnlose" Dinge oder Aktivitäten viel Vergnügen bereiten, wodurch sie durch die "Hintertür" wieder sinnvoll werden.

Die Gründe für die Ablehnung der hier vorgestellten Plakette zur Ausstellung wären für uns nicht ganz uninteressant gewesen. Den folgenden Hinweis von einem Mitglied der Fachjury "Bei der Zusammenstellung eines Länderbeitrags und somit der Auswahl einzelner Arbeiten können viele Faktoren eine Rolle spielen, die ich jetzt im Einzelnen nicht rekapitulieren kann. " fanden wir dabei nicht besonders erhellend. Das Geheimnisvolle muß also nicht unbedingt das Schönste sein, was wir hiermit erleben konnten. Aber dies ist sicherlich noch eine sehr harmlose Widerlegung des Satzes von Einstein- gibt wirklich Schlimmeres.

Es kann natürlich durchaus sein, dass sich nach allgemeiner, moderner Auffassung ( anno domini 2011) "Medaillen", "Kunstmedaillen" und das Konzept einer relativ großen "Interpretationsoffenheit" insbesondere in Verbindung mit "nichtklassischen Themen" nicht so recht miteinander vertragen- zumindest sind wohl einige Kunstexperten dieser Auffassung. Wir haben die Verknüpfung dieser beiden Bereiche stets auch eher als einen Versuch angesehen- was wir bereits durch den Namen dieser Webseite angedeutet haben, die bereits auf den Begriff der "Reliefkunst" verweist..

Ganz im Sinne der hier betrachteten Plakette haben uns entschlossen, uns auf unsere Unabhängigkeit- von für uns undurchsichtigen Juryentscheidungen- zu besinnen und uns nicht in eine auf Vermutung gegründete Stilrichtung bei späteren Auswahlverfahren zu verbiegen- auf eine Stilrichtung, die von der Auswahljury möglicherweise (die Auswahlkriterien blieben uns verborgen, wie oben erwähnt) geschätzt wird. Macht es überhaupt Sinn, sich in in eine Umgebung einzubringen, wenn die Stilrichtung der eigenen Werke offensichtlich dort keine Wertschätzung erfährt ? Wir haben darauf entsprechend konsequent reagiert. Eine andere Reaktion wäre uns auch gerade in Hinblick auf die Thematik und Ausführung der hier betrachteten Plakette widersprüchlich und insgesamt unglaubwürdig vorgekommen.

Als weitere praktische Konsequenz haben wir uns entschieden, den Schwerpunkt unseres weiteren Werkes auf Reliefs zu legen, die der üblichen Größen-Einschränkung von Medaillen für Ausstellungen (Höhe, Breite oder Durchmesser <= 15 cm, seit relativ kurzer Zeit bis 20 cm mit gewissen Einschränkungen) von vornherein nicht unterworfen sind. Das hat zwar zur Konsequenz, dass uns die Teilnahme an bestimmten Medaillenausstellungen bereits auch aus prinzipiellen Gründen in der Praxis nicht mehr möglich sein wird- was aber durch den Gewinn an zusätzlicher Gestaltungsfreiheit mehr als wett gemacht wird.

Prinzipiell sind wir übrigens - was die "Kunstkritik" anbelangt - der gleichen Auffassung, wie sie aus dem folgenden Zitat ersichtlich ist :

"Wer sich als Kritiker im Unverbindlichen verschanzt, der macht nicht nur den Kritiker unangreifbar, er befördert auch die Künste ins Niemandsland der Beliebigkeit. Verlangt wird vom Kritiker, dass er sich kritisierbar macht, indem er seine Kriterien offen legt und seine Maßstäbe herausarbeitet. So könnte er zeigen, dass sich über Kunst und Geschmack sehr wohl streiten läst. Und er könnte andere ermuntern, sich auf diesen Streit einzulassen."
( Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung, Seite 75, S.Fischer Verlag , 2007,ISBN 978.3-10-062810-7 )

Eine solche Offenlegung von Kriterien wäre unseres Erachtens auch für die "nachgeborenen Kunstwissenschaftler" interessant, weil sie den zeitlichen Wandel und die örtliche Abhängigkeit von Bewertungskriterien der Kunst im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Erscheinungen und Verhältnissen - dem Zeitgeist also- aufdecken könnte. Aus der Geschichte der Kunstkritik ist bekannt, wie unterschiedlich Kunstwerke- in Abhängigkeit von Ort und Zeit- beurteilt worden sind .

Wir haben hier als Beispiel eine Plakette relativ ausführlich selbst kommentiert und einige Einstiege für mögliche Interpretationen gezeigt, um damit dem Leser eine etwas bessere Vorstellung darüber zu vermitteln, wie unsere interpretationsoffenen Werke im Prinzip angelegt sind. Dem einen mögen solche interpretationsoffenen Werke gefallen- dem anderen nicht - auch das gehört zum Werk , dass auf jeden Betrachter sehr unterschiedlich wirken kann und womöglich etwas gewöhnungsbedürftig ist. Es ist auch als Versuch zu betrachten, dem Gestaltungs- und Bewertungskriterium "Interpretationsoffenheit" in der Medaillen- und Reliefkunst eine gößere Bedeutung zu geben, als es "normaler Weise" üblich ist. Stärker in ihren Interessen numismatisch oder historisch ausgerichtete Betrachter unserer Werke werden werden relativ wenig oder überhaupt nichts mit diesen "anfangen" können- was uns nicht wundert. Wir beabsichtigen auch nicht, es allen recht zu tun, denn das ist bekanntlich eine Kunst, die sowieso niemand kann.

Diese Hinweise sollen hinsichtlich ihrer Ausführlichkeit eine Ausnahme bilden, da wir uns durchaus bewusst sind, wie bereits oben erwähnt, dass der besondere Reiz von interpretationsoffenen Werken nicht unwesentlich zerstört wird, wenn dem Betrachter die Möglichkeit einer speziellen subjektiven Interpretation durch externe "Vorgaben" oder "gutgemeinte Anregungen" zu sehr eingeschränkt oder gar "vorgezeichnet" wird. .


Weitere Beispiele zur Interpretationsoffenheit von Werken


 

 

 


 

die versuchung

DIE VERSUCHUNG: AUSFLUG VON DER PHILOSOPIE

LEBEN IST DAS, WAS PASSIERT, WÄHREND DU MIT ANDEREN DINGEN BESCHÄFTIGT BIST.

ES SIND NICHT DIE DINGE, DIE MAN GETAN HAT, DIE MAN SPÄTER AM MEISTEN BEREUT. ES SIND DIE, DIE MAN NICHT GETAN HAT.

GRAU, TEURER FREUND, IST ALLE THEORIE,
UND GRÜN DES LEBENS GOLDNER BAUM (GOETHE)

THE ONLY WAY TO GET RID OF TEMPTATION, IS TO YIELD TO IT (OSCAR WILDE)

DIESE PLAKETTE IST DEM AMERIKANISCHEN MALER EDWARD HOPPER UND DER PHILOSOPIE DER LEBENSKUNST GEWIDMET: EDWARD HOPPER HAT EIN BILD MIT DEM TITEL "AUSFLUG IN DIE PHILOSOPIE " GEMALT, AUF DAS SICH DIESE PLAKETTE ALS MÖGLICHE FORTSETZUNG BEZIEHT. DIESE PLAKETTE MÖGE ALS ANREGUNG AN DEN BETRACHTER VERSTANDEN SEIN, DIE EIGENE POSITION ZWISCHEN DEN MÖGLICHEN EXTREM- ENTSCHEIDUNGEN : AUSFLUG IN DIE PHILOSOPHIE (KLASSISCH: VITA CONTEMPLATIVA) ODER AUSFLUG VON DER PHILOSOPHIE ( IN DIE VITA ACTIVA ODER GAR IN DIE VITA VOLUPTARIA (?)) ZU ÜBERDENKEN.

KANN MAN DIESE FORMEN MITEINANDER VERBINDEN ?

DIESE PLAKETTE WURDE INNERHALB DES MEDAILLENPROJEKTES 2008 DES MEDALLIC SCULPTURE STUDIO SOFIA, BULGARIEN, ENTWORFEN- EIN PROJECT VON PROF. B.NIKOLOV FÜR STUDIERENDE, LEHRENDE UND GAST KÜNSTLER
(WWW.ARTMEDAL.NET)

Einen erläuternden Hinweis zum Werk "AUSFLUG IN DIE PHILOSOPIE"von Edward Hopper finden Sie in "Schönes Leben " (Autor Wilhelm Schmid- Untertitel des Werks: Einführung in dieLebenskunst, Suhrkamp Verlag, 2005, ISBN 3-518-06827-X) :


"...Beispielhaft für die Ratlosigkeit in bestimmten Situationen des Lebens, für den Stillstand des Lebens in dem Moment, in dem etwas, vielleicht alles, in Frage steht; beispielhaft auch dafür, dass diese Ratlosigkeit , dieses Infragestehen vorzugsweise dort zu erfahren ist, wo es um die Dinge der Liebe zu gehen scheint.
Eine erste Annäherung unter diesem Aspekt könnte das Bild als eine Einführung in die Philosophie erweisen , denn für die Philosophie, ...stellt diese Lebenssituation , die Suche nach einer Kunst mit den Dingen der Liebe , eine wichtige Fragestellung dar. Das Bild brächte dann den Augenblick der Philosophie zum Ausdruck, den Augenblick danach, das Einsetzen der Reflexion, das Leben mit der schmerzlichen Distanz zum Anderen, das Denken in der Leere der entschwundenen Lust, das unerbittliche Fragen nach dem Grund. ..."

"Exemplarisch festgehalten ist der Moment des Innehaltens, das Innehalten als Moment der Philosophie , der Reflexion, verkörpert von der sitzenden und sinnenden Gestalt (des im Bild abgebildeten Mannes) , eine Darstellung des Denkens im seitlich einfallenden Licht, die in der Geschichte der Kunst zur Metapher der Philosophie geworden ist."

Wilhelm Schmidt
Schönes Leben
Einführung in die Lebenskunst
2005
suhrkamp taschenbuch 3664
ISBN 3-518-45664-4

"Aussetzen von Lebenskunst: Melancholie

...Die reflektierte Lebenskunst nimmt die Melancholie in sich auf, ohne sie therapieren zu wollen. Sie hat jedoch als Kunst der Existenz, wie andere Künste, der Melancholie auch etwas zu geben, nicht um sie zu heilen, sondern um sie lebbar zu machen. Dazu dient etwa die Kunst der Erotik- ohnehin sind die Darstellungen der Melancholie auffällig häufig mit erotischen Attributen ausgestattet, weil es das ist, was die Melancholie allein noch trösten kann, und weil das melancholische Subjekt zuletzt aus der Erotik noch Reiz und Anreiz des Daseins bezieht."

 

Werner Schneiders: Wieviel Philosophie braucht der Mensch ?
Eine Minimalphilosophie
Anaconda Verlag
2007
ISBN 978-3-86647-149-8

Ein Zitat - passend zum "Hintergrund"- zu einem möglichen Aspekt des Reliefs (Seite 66,67):

"(Es ) scheint sich (eher) , selbst wenn alle Philosophie irgendwie Lebensphilosophie sein sollte, ein vielfacher Widerstreit zwischen Leben und Denken aufzutun.

Das Leben läßt sich nicht aufschieben, indem ich mich darauf besinne, läuft es davon. Was also tun ? Erst leben und dann fragen Wozu ? (falls dann noch Zeit dafür ist), oder erst nach dem Wie und Warum fragen und dann soweit wie möglich leben (falls dann noch Zeit dafür ist )? Auch Denken braucht seine Zeit. Zeit aber ist für mich Lebenszeit, ich muss irgendwie mit ihr auskommen. Damit stellt sich die Frage der Lebensökonomie auch als Denkökonomie, Denken wird selbst zu einer Frage der Zeit und Zeiteinteilung. Wieviel Zeit soll ich für was opfern ? Wieviel Zeit will ich in eine mögliche Karriere mit möglicher materieller Lebensverbesserung inverstieren , wieviel Zeit mir im unvermeidlichen Daseinsbetrieb zur Besinnung gönnen ? Habe ich noch Zeit zum Denken, will ich noch Zeit zum Denken haben ? Anscheinend gehört auch etwas Glück dazu, für das , was an der Zeit ist, Zeit zu haben, aber auch Geschick und Mut, mir für das, wofür ich Zeit haben will, Zeit zu nehmen."

Wir haben dieses Zitat eingeschoben, weil wir diesen Aspekt des Reliefs sicherlich nicht besser hätten beschreiben können, eher um einiges schlechter, und halten uns deshalb im Dienste der optimalen Formulierung an dieser Stelle gern zurück. .


 


 

 

altern

ALTERN


 

.
die apokalypse

DIE APOCALYPSE DES ATHEISTEN


 

 

die apokalypse

DIE APOCALYPSE DES GLÄUBIGEN

 


 

bacchus

BACCHUS

 


 





GLAUBENSBEKENNTNISSE ( PARADIESVORSTELLUNGEN )

Ein einführender Text hierzu befindet sich im allgemeinen Bildteil


 

preis des erfolgs

DER PREIS DES ERFOLGS


 

die erkenntnis

DIE ERKENNTNIS

DIE DARSTELLUNG KANN AUCH ANDERS GEDEUTET WERDEN ...

 


 

AUSDRUCK
EXPRESSION

 


 




DER EINDRUCK


EINDRUCK MACHEN


 



VON DER LIEBE ZUM HASS


 

nackt

 

DAS JUNGE BIEST UND DIE ALTE SCHÖNHEIT

 


 

nacktheit

NACKHEIT


 

orpheus

ORPHEUS
(hier hat der Medailleur etwas selbstironisch Erfahrungen aus seiner Industriezeit eingearbeitet)

 



DER AUSSTIEG
Auch hier sind autobiografische "Züge" eingearbeitet worden


sapere aude !

SAPERE AUDE !
WAGE DEINEN VERSTAND ZU NUTZEN !

 


 

selbstverwaltung


SELBSTVERWALTUNG

 


 

die unangenehme erkenntnis

DIE UNANGENEHME ERKENNTNIS

 



 

du wolltest ihn doch

ABER DU WOLLTEST IHN DOCH !

Erst einen Macho unbedingt haben wollen, aber dann ...


 

drei schritte

DREI SCHRITTE
- ZUR ERKENNTNIS

 


 

 

verpasste gelegenheiten

VERPASSTE GELEGENHEITEN
NEGLECTED CHANCES

Ein einführender Text hierzu befindet sich im allgemeinen Bildteil

 


 

verfehlt

VERFEHLT
DAS THEMA IST "DIE VERLEUMDUNG" - BESONDERS BELIEBT AUS DER ANONYMITÄT HERAUS

 


 

 

wen gott strafen will

WEN GOTT STRAFEN WILL, DEM ERFÜLLT ER SEINE WUENSCHE

 


 

entscheidung bei unsicherheit

ENTSCHEIDUNG BEI UNSICHERHEIT

 


 

nach einem langen arbeitstag

NACH EINEM LANGEN ARBEITSTAG


 

trennung

TRENNUNG

 


 

das neue in das alte

UND ALLES NEUE FLIESST IN ALTE FORMEN

 


 

zurueck zu den anfaengen

ZURÜCK ZU DEN ANFÄNGEN

 


 

gemeinsam

GEMEINSAM


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